Ästhetische Chirurgie: Mehrheit europäischer Staaten verweigert CEN-Norm Zustimmung – trotzdem tritt die Norm in Kraft

Einspruch gegen Ratifizierung der Norm aus Deutschland und den Niederlanden

Wieder ein Negativbeispiel einer Wunschregelung einer kleinen Gruppe zu Lasten der Mehrheit: Das auf Initiative österreichischer plastischer Chirurgen beim österreichischen Normungsinstitut (ASI) initiierte Normprojekt sah in den anfänglichen Entwürfen einer CEN-Norm „Ästhetische Chirurgie und ästhetische nicht-chirurgische ärztliche Dienstleistungen“ Hürden vor, die es vielen qualifizierten Anbietergruppen faktisch unmöglich gemacht hätten, weiterhin ästhetisch-chirurgische Leistungen anzubieten. Allgemeinmediziner sollten, so das Wunschdenken, praktisch gar nicht mehr in diesem Gebiet praktizieren dürfen. Es verwundert wenig, dass die Aufnahme eines Vertreters der Vereinigung ästhetischer Praktiker/Association of Aesthetic Practitioner (AAP) zwecks Mitwirkung am Normierungsvorgang vom „österreichischen Normkomitee“ abgelehnt wurde.

Sogar die Österreichische Ärztekammer sah sich zum Einschreiten gegen dieses fragwürdige Normierungsgeschehen veranlasst und forderte den seinerzeitigen Bundesminister Alois Stöger diplomé „eindringlich“ auf, „gegen diese Initiative vorzugehen und dafür zu sorgen, dass die Regelung der ärztlichen Berufstätigkeit dem Gesetzgeber und der Österreichische Ärztekammer vorbehalten bleibt“. Ob dieses Schreiben je einer Antwort für wert befunden wurde, ist redaktionsintern nicht bekannt.

Obwohl, wie die Österreichische Ärztekammer ausführte, das österreichische Normungsinstitut und das europäische Komitee außerhalb ihrer sich aus der Rechtssystematik ergebenden Tätigkeitsfelder handeln, wurde das Projekt weiterverfolgt. Mittlerweile haben die Normkomitees in den einzelnen europäischen Staaten über den Entwurf der umstrittenen CEN-Norm „Ästhetische Chirurgie und ästhetische nicht-chirurgische ärztliche Dienstleistungen“ abgestimmt.

Nach den in demokratischer Hinsicht fragwürdigen Regeln des europäischen Normungsinstituts CEN gilt der Letztentwurf der Norm als angenommen, obwohl ihm die Mehrheit der europäischen Staaten die Zustimmung versagte: 22 Staaten stimmten dagegen bzw. konnten keinen Konsens finden, nur die Gremien in 11 Ländern stimmten dafür. Vom österreichischen Normkomitee wurde der Entwurf übrigens angenommen, kein Wunder, hat man doch dem Vertreter der AAP die Teilnahme verweigert und somit auch das Stimmrecht entzogen. Möglicherweise ist es auch anderen Betroffenen in Europa so ergangen, von denen der innere Kreis der Regulierungswilligen eine nicht-konforme Sicht der Dinge erwartet hat.

Jetzt regt sich seitens der Normungsinstitute DIN in Deutschland und NEN in den Niederlanden neuer Widerstand gegen die Ratifizierung der Norm, um die europaweite Normierung der ästhetischen Chirurgie noch in letzter Minute zu verhindern.

Die AAP warnte bereits bei Bekanntwerden der Normbestrebungen 2011 davor, dass eine Normierung der ästhetischen Chirurgie zugunsten einzelner Anbietergruppen unzulässig in berufsrechtliche Regelungen eingreift und für Patienten/innen einen Qualitätsverlust befürchten lässt.

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